Assistierter Suizid
Die ökumenische „Woche für das Leben“ war in diesem Jahr dem Thema gewidmet “LEBEN im Sterben“- quasi die Kurzfassung des von Dame C. Saunders, der Initiatorin der modernen Hospizbewegung, 1967 formulierten Leitspruchs „Nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben!“
Hospizarbeit/palliative Begleitung – Begleitung in schwerer Krankheit, am Lebensende.
Nicht nur Linderung körperlicher Beschwerden, sondern ganzheitliche, wertschätzende, liebevolle Fürsorge unter Berücksichtigung der Patientenautonomie! Palliative Begleitung heißt, Leben in Würde trotz und mit schwerer Krankheit möglich zu machen, sei es unter stationären Bedingungen im Hospiz, sei es durch engagierte ambulante Hospizdienste.
Das Angebot der umfassenden Palliative Care hat in diesem Jahr besondere Aktualität im Zusammenhang mit der neu zu formulierenden gesetzlichen Regelung zur Suizid-Beihilfe.
Vor über einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht §217 gekippt: das bisherige Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid verstoße gegen das im Grundgesetz garantierte Selbstbestimmungsrecht. “Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei Angebote von Dritten in Anspruch zu nehmen unabhängig von der Schwere einer Erkrankung!“ Das heißt, dass auch ein gesunder, aber lebenssatter Mensch ein Anrecht auf Suizidbeihilfe haben soll. Von Staats wegen soll ein „prozedurales Sicherungskonzept“ etabliert werden, „um zu verhindern, dass organisierte Beihilfe zur Selbsttötung zu einer Normalisierung des Suizids führt“.
Ist dem vom Staat zu gewährenden „Schutz des Lebens“ damit Genüge getan?
Wird dabei berücksichtigt, dass in der Mehrzahl der Fälle dem Suizidwunsch eine (behandelbare!)psychische Störung zugrunde liegt?!
Soll die Entscheidungsfreiheit bezüglich des Suizidwunsches durch einen Arzt festgestellt werden? Das würde bedeuten, dass der Arzt mit seiner elementaren Aufgabe als Helfer im Leiden dazu beiträgt, dass der Leidende beseitigt wird?!
In den meisten Fällen von missglückten Suizidversuchen, die also überlebt werden, ist im Gespräch mit diesen am Leben verzweifelten Menschen herauszuhören, dass sie sich mit ihren Sorgen alleingelassen fühlen, mit ihrer Angst vor Verlust der Selbstkontrolle, Angst vor Pflegebedürftigkeit, Angst vor Demenz, Angst zur Last zu fallen, Einsamkeit.
Schwerkranke Menschen am Ende ihres Lebens suchen den Tod, um so nicht weiterleben zu müssen. Diese Menschen brauchen einen Menschen an ihrer Seite, der ihre Sorgen und Bedürfnisse wahrnimmt! Statt in unserer Zeit des Machbarkeitswahns der High-Tech-Medizin die Endlichkeit des Lebens zu verdrängen, statt Sterbehilfe zu popularisieren, sollte der humane Umgang mit Krankheit und Sterben wieder in die Mitte der Gesellschaft geholt werden.
In der selbstoptimierten Gesellschaft, in der bereits der Zustand altersentsprechender Abhängigkeit und erst recht zunehmender krankheitsbedingter Abhängigkeit als „würdelos“ betrachtet wird, ist man schnell bereit, Sterbehilfe einzufordern. Sich dagegen in Ängste und Bedürfnisse des Menschen in der Lebensendphase einzufühlen erfordert Einsatz, Demut, manchmal auch Mut, aber das allein wird der Forderung nach einem menschenwürdigen Sterben gerecht.
Aus dem Recht auf Sterbehilfe wird schnell die Erwartung, dass dieses Recht auch genutzt wird. Ein Sprecher der Deutschen Palliativ-Stiftung sagte dazu: „Wer Sterbehilfe erlaubt, macht über kurz oder lang Sterben zur Pflicht in einer ökonomisierten Gesellschaft wie der Unseren“. Behinderte, Schwerkranke können subtilen Zwängen ausgesetzt werden zur Rechtfertigung ihres „Noch-Daseins“ – vor allem im Hinblick auf eingeschränkte Ressourcen sowie Pflegenotstand …
Dass diese Überlegungen nicht unbegründet sind, zeigt die Entwicklung mit der Liberalisierung der Suizidbeihilfe in anderen Ländern:
– In den Niederlanden bewegt sich die 2001 legalisierte Suizidbeihilfe zunehmend in Nähe der „Tötung auf Verlangen“, ohne strafrechtliche Konsequenzen.
– In Belgien und Canada wird Suizidbeihilfe mit dem Anspruch „Altruismus“ geadelt, indem der Suizident noch als mögliche Organentnahmequelle gilt.
– Im Auftrag des kanadischen Parlaments wurde der ökonomische Nutzen berechnet, der sich aus eingesparten Aufwendungen für Patienten ergibt, die sich suizidieren anstelle einer Weiterbehandlung!
Für das Angebot der Suizidassistenz gibt es keine medizinische oder ethische Rechtfertigung.
Die beste Präventionsmaßnahme gegen den Wunsch, in einer schwierigen Lebenssituation seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, ist Palliative Care, wie sie im Hospiz im Franziskuszentrum gelebt wird, ist der ambulante kostenlose Hospizbesuchsdienst, der die Versorgung zuhause bis zuletzt mitermöglicht vor allem auch durch den Einsatz unserer Ehrenamtlichen, ist das neue Angebot der „Letzte Hilfe“-Kurse für Angehörige mit Einführung ins Thema palliative Versorgung und Sterbebegleitung.
28.04.2021
Dr. med. S. Bangen-Simoni, Internistin – Palliativmedizin
Dr. med. E. Kern-Nagel
Pfarrerin Ulrike Hermann